Schlösseraustausch nicht erlaubt: Wer im Krach aus der Ehewohnung geht, verliert nicht seine
Rechte auf Mitbesitz
Wenn Ehekonflikte unerträglich werden, packt mancher rasch eine Tasche und geht "erstmal" – um dann später festzustellen, dass die Schlösser ausgetauscht wurden und er nicht mehr in die Ehewohnung hineingelassen wird. Das muss er aber rechtlich nicht hinnehmen, wie der folgende Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG Celle, Beschl. v. 10.08.2022 - 21 WF 87/22) wegen Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Mitbenutzung der (gemieteten) Ehewohnung beweist.
Dafür muss auch keine sogenannte "unbillige Härte" vorliegen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Eheleute die Wohnung gemeinsam angemietet haben oder wer Eigentümer ist. Denn das Recht beider Eheleute auf Mitbesitz an der Ehewohnung und an den Haushaltsgegenständen erlischt nicht durch "bloßes Verlassen" oder vorübergehende Abwesenheit. Das Recht entfällt erst dann, wenn die Ehegatten anlässlich ihrer Trennung eine abweichende Vereinbarung über die künftige Nutzung der Ehewohnung getroffen haben oder ein Ehegatte aus der Ehewohnung mit dem Willen ausgezogen ist, die Trennung auf diese Weise herbeiführen zu wollen.
Das OLG half dem Mann in diesem Fall hier im Eilverfahren mit der "Wiedereinräumung des Mitbesitzes", weil er sich mangels anderer Schlafmöglichkeiten in Notunterkünften aufhielt. 

Hinweis: Anders wäre es, wenn einer die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen habenmöchte. Dann muss eine unbillige Härte - beispielsweise wegen Gewalt - glaubhaft gemacht werden, damit man die Wohnung für sich allein haben kann.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 10.08.2022 - 21 WF 87/22
Fundstelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de 

Sachverhalt und wesentliche Entscheidungsgründe 

Sachverhalt:

Der antragstellende Ehemann begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Mitbenutzung der bisherigen Ehewohnung.

Die Beteiligten hatten am ... August 2021 geheiratet und lebten seither in der gemeinsam gemieteten Wohnung im M. ... in C. zusammen. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe ihn kurz nach der Trennung aus der gemeinsamen Ehewohnung herausgeworfen und verweigere ihm seither den Zutritt zur Ehewohnung. Aus diesem Grund habe er ohne Zugriff auf seine persönlichen Sachen die Nächte in Notunterkünften verbringen müssen. Bis er eine neue Wohnung gefunden habe, sei es der Antragsgegnerin zuzumuten, die Wohnung weiterhin mit ihm gemeinsam zu nutzen, zumal es zu keinerlei handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten gekommen sei.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss dem Antragsteller die von ihm nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass eine Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB nur in Betracht komme, um eine unbillige Härte zu vermeiden, die vorliegend nicht dargetan sei. Darüber hinaus sei die Wohnungszuweisung in der Regel nicht auf eine Mitbenutzung gerichtet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er in entsprechender Anwendung des § 1361b BGB als Mitmieter einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Mittelsitzes an der Ehewohnung verfolgt.

Die gemäß §§ 113 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Dem Begehren des Antragstellers auf Wiedereinräumung des Mitbesitzes an der Ehewohnung kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden.

Ein Anspruch auf Mitbenutzung und Mitbesitz der Ehewohnung folgt aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB und der dort geregelten Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. BeckOGK/Erbarth, § 1353 Rn. 389 ff.; Grüneberg/Siede, BGB,
81. Aufl., § 1353 Rn. 6). Leben die Ehegatten gemeinsam in einer Ehewohnung, so steht Ihnen der Mitbesitz an der Ehewohnung und an den Haushaltsgegenständen unabhängig davon zu, ob sie die Wohnung – wie vorliegend – gemeinsam gemietet haben oder nur ein Ehegatte Partei des Mietvertrages ist. Dieser Anspruch besteht während der intakten Ehe. Das bloße Verlassen der Ehewohnung führt nicht zum Erlöschen des Mitbesitzes, denn eine vorübergehende Abwesenheit berührt diesen nicht (vgl. Götz/Brudermüller/Giers, Die Wohnung in der familienrechtlichen Praxis, 2. Aufl., Rn. 35 ff.). Das Recht auf Mitbesitz entfällt dann, wenn die Ehegatten anlässlich ihrer Trennung eine abweichende Vereinbarung über die künftige Nutzung der Ehewohnung getroffen haben oder ein Ehegatte aus der Ehewohnung mit dem Willen ausgezogen ist, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherstellen zu wollen (BGH NJW 1972, 42). Hält sich die Ehefrau vorübergehend in einem Frauenhaus oder bei ihrer Familie im Ausland auf, gibt sie damit nicht den Mitbesitz an der vom Ehemann allein angemieteten Wohnung auf (vgl. LG Freiburg FamRZ 2005, 1252; OLG Frankfurt NZFam 2019, 443, 445).

Neben dem Anspruch auf Mitbenutzung der Ehewohnung aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht ein Anspruch nach § 861 Abs. 1 BGB. Danach kann der Besitzer bzw. Mitbesitzer die Wiedereinräumung des Besitzes verlangen, wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen wird. Verweigert ein Ehegatte dem anderen den Zutritt zur Ehewohnung, erweist sich dies Verhalten als verbotene Eigenmacht mit der Folge, dass ein Anspruch aus § 861 BGB auf Wiedereinräumung des (Mit)Besitzes besteht (vgl. Götz/Brudermüller/Giers, a.a.O. Rn. 38; AG Neustadt a. Rbge. FamRZ 2005, 1253 [im Fall des Miteigentums]).

Ansprüche aus §§ 1353, 1361b BGB auf Einräumung des Mitbesitzes wie auch der Anspruch wegen Besitzentziehung aus § 861 Abs. 1 BGB können gemäß §§ 119 Abs. 1, 49 ff. FamFG im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemacht werden. Auch in Familienstreitsachen sind danach die Vorschriften über die einstweilige Anordnung anzuwenden. Bei einer Auseinandersetzung der Beteiligten um den Mitbesitz an der Ehewohnung nach §§ 1353, 861 BGB handelt es sich als sonstige Familiensache i.S.v. § 266 FamFG (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1506;
Prütting/Helms/Heiter, FamFG, 5. Aufl., § 266 Rn. 54a; Hdb.FamR/Schwonberg,
12. Aufl., Kap. 1 Rn. 132) um eine Familienstreitsache gemäß § 113 Abs. 1 FamFG. In Familienstreitsachen kann zur Sicherung eines Anspruchs oder Regelung eines Rechtsverhältnisses auch eine einstweilige Anordnung ergehen, sofern hierfür ein Regelungsbedürfnis besteht (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 6. Aufl., § 119 Rn. 5, 7; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1930). Wird die Wiedereinräumung des Mitbesitzes auf § 1361b Abs. 1 BGB gestützt, handelt es sich um eine Ehewohnungssache als Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die ebenfalls der einstweilige Rechtsschutz über § 49 FamFG eröffnet ist. Unterschiede ergeben sich hingegen für die Frage, ob im einstweiligen Anordnungsverfahren eine Beschwerde nach § 57 Satz 2 Nr. 5 FamFG statthaft ist, die für eine Familienstreitsache nicht eröffnet wäre (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2006, 873; Schulte-Bunert/
Weinreich/Schwonberg, a.a.O., § 49 Rn. 61; § 57 Rn. 16).

Neben dem erforderlichen Anordnungsanspruch, wie er aus § 1353 Abs. 1 BGB möglich erscheint, besteht nach dem bisherigen Vorbringen bereits deswegen ein Regelungsbedürfnis i.S.v. § 49 Abs. 1 FamFG, weil der Antragsteller nicht über die Möglichkeit verfügt, an einem anderen Ort zu wohnen bzw. auch nur zu übernachten. Vielmehr ist er nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 FamFG) auf die Nutzung von Notunterkünften angewiesen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass er auch über keinerlei persönliche Gegenstände verfügt, die in der Ehewohnung verblieben sind.

Der Senat konnte über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht abschließend entscheiden, da das Amtsgericht allein über die hinreichende Erfolgsaussicht befunden und diese verneint hat. Auf die Beschwerde des Antragstellers wurd der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Cuxhaven vom 4. Juli 2022 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung sowie zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.